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Internationale Paneuropa-Union

Warnung vor westlichem Selbstbetrug

Beim 63. Andechser Europatag, der am 22./23. März 2025 stattfand und zu dem mehr als 200 Gäste aus vielen Teilen Europas kamen, haben der Präsident der Paneuropa-Deutschland, Bernd Posselt, und der Vorsitzende des Europaausschusses im Deutschen Bundestag, Dr. Anton Hofreiter von den Grünen, vor einem westlichen Selbstbetrug in Sachen Ukraine gewarnt.

Posselt betonte, daß der russische Präsident Putin „nicht im geringsten daran denkt, einen auch nur einigermaßen tragfähigen Frieden zu schließen“. Nach wie vor strebe er ein von Moskau gelenktes Eurasien von Wladiwostok bis Lissabon an. Dieses Ziel sei zwar nicht realistisch, werde aber von ihm und seinem Umfeld ständig getrommelt. Deshalb sei die Idee, „daß man ihm ein Viertel, die Hälfte oder die ganze Ukraine schenkt und dann Ruhe ist, nicht nur moralisch falsch, sondern auch dumm und illusionistisch“.

Da die USA sich von Europa abwendeten und Rußland auf lange Zeit eine Gefahr bleiben werde, müßten, so Posselt, „nicht nur in einer Koalition der Willigen Sofortmaßnahmen eingeleitet und massive Hilfen für die existenziell gefährdete Ukraine bereitgestellt werden, sondern gleichzeitig energisch der Aufbau von Vereinigten Staaten von Europa mit einer funktionsfähigen Verteidigungsunion sowie einer supranationalen Europäischen Armee angegangen werden.“

Der große Europäer Otto von Habsburg habe als Freund der USA, wo er als Verfolgter des NS-Regimes Aufnahme gefunden habe, den für viele Menschen schockierenden Satz geprägt, der nächste Hitler könne auch aus den USA kommen. Trump sei zwar kein Hitler, aber seine Mitkämpfer Musk und Bannon „laufen bewußt mit erhobenem rechtem Arm herum und versuchen, eine weltweite faschistische Internationale aufzubauen“, so Posselt. Es sei daher nicht auszuschließen, daß ihr Weg eines Tages doch in diese Richtung führe. 

Beim zentralen Diskussionsforum zum Thema „Schluß mit dem leeren Gerede – Europas Einigung steht vor dem Ernstfall“ betonte Anton Hofreiter MdB: „Wir werden an allen Fronten angegriffen“. Zur Herstellung der Verteidigungsfähigkeit forderte er die Schaffung eines Europäischen Geheimdienstes – „wir brauchen eine eigene NSA“ – und insbesondere eine offensive Cyberabwehr: „Man muß die Möglichkeit haben, dem Aggressor zu sagen: Du kannst unsere Kraftwerke und Krankenhäuser lahmlegen, aber dann mußt du damit rechnen, daß wir dasselbe tun.“ Dazu käme die Vereinheitlichung der Waffensysteme: „In Europa haben wir 19 verschiedene Kampfpanzertypen.“ Zur Abwehr der subversiven Kriegsführung Rußlands in Deutschland sprach er sich für ein AfD-Verbot aus: Diese Partei sei verfassungsfeindlich und „organisiert den Landesverrat in unseren eigenen Parlamenten.“ Der Vorsitzende des Europaausschusses im Deutschen Bundestag mahnte dringend, „zu verstehen, was passiert auf der Welt“. Rußland sei „ein Imperium, das wieder wachsen will und keine Demokratien an seinen Grenzen duldet“; und in den USA habe Trumps Umfeld mit Persönlichkeiten wie J. D. Vance, Curtis Yarvin oder Peter Thiel Ordungsmodelle für die Welt, die denen von Putin und Xi entsprächen. Es sei inakzeptabel, daß China durch TikTok die europäische Jugend manipuliere und gleichzeitig die EU ausspioniere: „Wir müssen TikTok abschalten!“

Polens Botschafter in Deutschland, Jan Tombiński zitierte Putins Chefideologen Alexander Dugin: „Für Rußland ist der Krieg ein Faktor der Identität und konstitutiv. Rußland soll mit dem Krieg leben.“ Dies ziele langfristig auf die Vernichtung einer EU, die “uns Sicherheit, Zuversicht und die Möglichkeit bietet, in die Zukunft zu investieren“.

Benjamin Hartmann aus dem Kabinett des ersten EU-Kommissars für Verteidigung und Weltraum in der Geschichte, Andrius Kubilius, gab einen Überblick über die Tätigkeiten und Pläne der EU. Rußland sei zwar wirtschaftlich schwach, gebe aber für Rüstung derzeit mehr aus als die gesamte EU; und der deutsche Geheimdienst habe öffentlich erklärt, daß Rußland schon 2030 in der Lage sein werde, „den Artikel 5 der NATO zu testen“.

Der Ukraine-Berichterstatter des Europäischen Parlamentes und außenpolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Michael Gahler MdEP wies darauf hin, daß die europäische Volksvertretung, auch dank der Erweiterung von 2004, wesentlich früher die russische Gefahr erkannt und, etwa durch den Bericht zur Energie-Außenpolitik von 2006, Vorkehrungen getroffen habe. Für die Umsetzung der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungsstrategie der EU gelte es das Potential auszuschöpfen, das bereits im Vertrag von Lissabon verankert sei, denn dafür sei die Einstimmigkeit des Rates nicht erforderlich.

Der Präsident des Europäischen Wirtschaftssenats, Dr. Ingo Friedrich, stellte die Frage, ob mit dem Abdriften Trumps das gesamte westliche Wertesystem mit regelbasierter Ordnung, Völkerrecht und Menschenrechten untergehen werde wie einst der Sowjetkommunismus: „Haben wir es im Kreuz, daß wir diese Fahne in die Hand nehmen? Europa muß jetzt der Leuchtturm der Freiheit werden.“

Prof. Klaus Welle vom Brüsseler Martens Centre wies darauf hin, daß sowohl die USA als auch Rußland schwächer seien als gemeinhin angenommen: „Der amerikanische Haushalt ist bereits zu 25 Prozent schuldenfinanziert, das Land fährt an die Wand. Rußland hat nur die Wirtschaftskraft von Spanien. Beide können nur einen Konflikt gleichzeitig bewältigen.“

Der Europa- und Verfassungsrechtler Dr. Dirk Voß, Vizepräsident der internationalen Paneuropa-Union, erinnerte an eine Umfrage von 1925, also vor genau 100 Jahren. Der Begründer der Paneuropa-Union und damit der modernen europäischen Einigungsbewegung, Richard Graf Coudenhove-Kalergi, habe damals der gesamten politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Prominenz zwei Fragen gestellt.

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Vier Wissenschaftler beleuchteten das Kongreßthema „Schicksalsjahr 1945 – wie baut Europa darauf auf?“ aus Anlaß des 80. Jahrestages des Kriegsendes: der Generalpostulator des Minoritenordens, Prof. Zdzisław Josef Kijas aus Rom, Der Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, Prof. Jörg Skriebeleit, der Historiker Prof. Manfred Kittel und Prof. Leonid Luks vom Zentralinstitut für Mittel- und Osteuropastudien der Universität Eichstätt.