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Internationale Paneuropa-Union

Südosteuropa – ein Niemandsland?

Veranstaltet von der Paneuropa-Union Deutschland in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Staatskanzlei und dem Europäischen Institut für politische, wirtschaftliche und soziale Fragen, fand am 19./20. Oktober 2024 der 62. Andechser Europatag statt. Im Fokus stand die Frage: Südosteuropa – ein Niemandsland?

Präsident der Paneuropa-Union Deutschland Bernd Posselt forderte die EU auf, den seit Jahren blockierten Beitrittsprozeß für die Staaten des westlichen Balkans wieder aufzunehmen und schleunigst ein zusammenhängendes strategisches Konzept zu entwickeln. Ansonsten würden, so der langjährige CSU-Europaabgeordnete, Rußland, China und der Islamismus das machtpolitische Vakuum ausfüllen, das die EU in diesem Raum lasse. Mit Blick auf Serbien betonte Posselt, daß es auf keinen Fall vor dem Kosovo EU-Mitglied werden dürfe, weil es nach wie vor in seiner Verfassung Ansprüche auf das Territorium dieses Nachbarlandes erhebe und dessen EU-Mitgliedschaft mit dieser Begründung blockieren wolle. Damit verletze Belgrad aber eines der entscheidenden Aufnahmekriterien, wonach kein Land beitreten kann, das ungeregelte Grenzfragen mit seinen Nachbarn hat.

Nachdrücklich warnte Posselt vor Versuchen „Putins und seiner serbischen Verbündeten, Bosnien-Herzegowina, den Kosovo und Montenegro zu destabilisieren, aber auch Mazedonien und Albanien.“ Deshalb bräuchten diese Länder eine klare Perspektive der Vollmitgliedschaft „denn, wenn man sie weiter am ausgestreckten Arm verhungern läßt, zerstört man immer mehr das Vertrauen dieser Völker in die europäische Integration. Vertrauen ist aber das wichtigste Kapital für eine funktionierende Sicherheitspolitik.“

Das abschließende Podium, das die provokative Frage „Kann uns der Balkan egal sein?“ aufwarf, moderierte der Europa- und Verfassungsrechtler Dirk H. Voß, internationaler Vizepräsident der Paneuropa-Union, der zu Anfang auf den Aktionsplan des Westbalkan-Gipfels wenige Tage zuvor in Berlin verwies.

Der Hohe Repräsentant der internationalen Gemeinschaft für Bosnien-Herzegowina, Bundesminister a.D. Christian Schmidt, kritisierte „nicht die EU, aber unsere Politik: Wir haben in Wahrheit den Westbalkan nicht politisch ernst genommen. Unsere letzte Balkan-Causa war der erfolgreiche Versuch, Kroatien in die EU aufzunehmen.“ Dabei dürfe auch der Name von Premier Ivo Sanader erwähnt werden. Danach habe man sich nicht mehr engagiert, weil man keine neuen Beitritte mehr wollte - was sich jetzt räche, weil die Sicherheitsrisiken in der Region „von außen nicht mehr kalkulierbar“ seien, insbesondere „weil Putin mit der friedlichen Zukunft der Region spielt“.

Bosnien-Herzegowina, eine Art Jugoslawien im Kleinen, bestehe aus den drei Volksgruppen der Kroaten, Bosniaken und Serben, die miteinander ihr Auskommen finden müsse. Manchmal verliere es sich in Streitereien, sodass sogar die Gefahr bestehe, ob das Geld für den Wachstumsplan der EU abgerufen werden könne. „Deshalb kann es nicht der Weg sein, zu sagen, wir kennen keine Unterschiede mehr, es gibt nur Staatsbürger. Wir müssen versuchen eine demokratische Struktur einzurichten, die auch die ethnischen Befindlichkeiten achtet“, erklärte der Hohe Repräsentant, der in dieser Sache zur Zeit einem Shitstorm ausgesetzt ist, er würde die Demokratie verraten. Eine energische Absage erteilte er auch Vorstellungen „wie von Woodrow Wilson“: „Wer glaubt, durch Gebietsverschiebungen neue Stabilität zu erreichen, hat keinen Funken Ahnung von der Situation und ignoriert die Geschichte. Damit würde man ein Niemandsland schaffen, wo wir Ausgleich der Ethnien brauchen.“

Zuletzt mahnte Schmidt dringend zur Eile im Beitrittsprozess, der seit 2003 stagniere und wo nunmehr eine Lösung für die Ukraine gefunden werden müsse. „Wir haben nicht die Zeit zu warten, bis die letzte EU-Regelung übernommen ist, wir dürfen aber auch nicht die Augen zudrücken. Deshalb müssen wir zumindest sehr rasch eine Möglichkeit finden, die Länder in die Sicherheitspolitik einzubeziehen. Wenn wir weitere zwanzig Jahre eine solche Erweiterungspolitik betreiben, haben wir dort kein Niemandsland, sondern wegen Frustration und Abwanderung niemanden mehr im Land!“